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Lehrstuhl für Psychologie I – Klinische Psychologie und Psychotherapie

Netzwerke für Verhalten und Kognition

Netzwerk-Neurowissenschaften: Intelligenz und Persönlichkeitsunterschiede

Intelligenz beschreibt unsere Fähigkeit, zu argumentieren, komplexe Ideen zu verstehen und aus Erfahrungen zu lernen. Sie steht in Zusammenhang mit wichtigen Lebensfaktoren wie Bildungserfolg oder beruflichem Erfolg und scheint sogar eine Rolle für Gesundheit und Langlebigkeit zu spielen. Obwohl Intelligenz eines der ältesten psychologischen Konstrukte ist, bleibt sie hochrelevant und stellt einen verlässlichen Indikator für die allgemeine kognitive Fähigkeit dar. Das Verständnis der biologischen Grundlagen menschlicher Intelligenz ist ein bedeutendes wissenschaftliches Ziel, und frühere neurowissenschaftliche Forschungen haben Unterschiede in der Gehirnstruktur und -funktion identifiziert, die mit individuellen Intelligenzunterschieden zusammenhängen.

Die Netzwerk-Neurowissenschaft ist eine wissenschaftliche Disziplin, die Methoden aus der Physik und Mathematik auf die Untersuchung von neuroimaging-Daten des Menschen (MRI, fMRI) überträgt. Kürzlich hat sich gezeigt, dass sie besonders im Kontext individueller Unterschiede äußerst fruchtbar ist.

Unser Labor konzentriert sich auf die Netzwerk-Neurowissenschaft der Persönlichkeit als ein neues Forschungsfeld, das graphentheoretische Netzwerkansätze auf etablierte psychologische Theorien über Intelligenz und menschliche Persönlichkeit anwendet. Durch die Nutzung ihrer reichhaltigen Methodik und die Übernahme einer systemischen Perspektive auf das Gehirn streben wir an, biologisch plausible Theorien über Intelligenz und Persönlichkeit zu entwickeln, z. B. durch das Entschlüsseln der komplexen Interaktion zwischen allgemeiner Intelligenz und kontrollierter Aufmerksamkeit.

Abschließend nutzt unser interdisziplinäres Team Methoden des Maschinellen Lernens, um connectome-basierte prädiktive Modellierungsansätze weiterzuentwickeln. Mithilfe dieser Methodik wollen wir über korrelative Zusammenhänge hinausgehen und robuste Vorhersagen außerhalb der Stichprobe erreichen, d. h., individuelle Intelligenztestwerte auf der Grundlage dynamischer Gehirnkonnektivität vorhersagen. Die meisten unserer Forschungsprojekte basieren auf MRI- und fMRI-Daten aus großen Datenbanken wie dem Human Connectome Project (www.humanconnectomeproject.org), und im Allgemeinen fördert unser Team Prinzipien der offenen und reproduzierbaren Wissenschaft.

Angst vor Schmerzen – im Kontext von Stress und individuellen Unterschieden

Chronische Schmerzen stellen eine schwere und weit verbreitete Belastung mit enormen Auswirkungen auf das tägliche Leben der Betroffenen dar. Gemäß dem Fear-Avoidance-Modell chronischer Schmerzen (Vlaeyen & Linton, 2012) spielen Mechanismen der Angstkonditionierung und des Vermeidungsverhaltens eine entscheidende Rolle bei der Entstehung und Aufrechterhaltung chronischer Schmerzzustände. Das Modell beschreibt einen sich selbst verstärkenden Teufelskreis aus Angst, Vermeidung, Beeinträchtigung und Schmerz. Allerdings gerät nur ein kleiner Teil der Menschen nach einer akuten Schmerzepisode (z.B. nach einer Verletzung oder medizinischen Intervention) in einen solchen Teufelskreis, und die Faktoren, die darüber entscheiden, ob eine Person diesen Kreis betritt oder nicht (und chronische Schmerzen entwickelt), sind noch ungeklärt.

Unser Team konzentriert sich explizit auf diese Frage und untersucht den Einfluss von Stress und stabilen individuellen Unterschieden (z.B. Persönlichkeitsfaktoren) auf die Entstehung von Angst vor Schmerzen. Dazu übertragen wir Methoden aus der traditionellen Angstkonditionierungsforschung in die virtuelle Realität. Ein neues experimentelles Paradigma wird entwickelt, das es ermöglicht, Angst vor Schmerzen experimentell zu induzieren (und zu löschen) sowie die Effekte von Kontext und motorischer Imagination zu untersuchen. Darüber hinaus nutzen wir verschiedene biophysiologische Messungen (z.B. elektrodermale Aktivität, EDA, Cortisolkonzentration, Herzfrequenz) und elektroenzephalographische (EEG) Aufzeichnungen, um die biologischen Grundlagen von situativer Angst vor Schmerzen, trait-bezogener Angst vor Schmerzen zu klären und die Mechanismen potenzieller Modulatoren (z.B. Stress, Persönlichkeit) zu verstehen.

Derzeit konzentriert sich unsere Forschung auf fünf komplementäre Fragestellungen:

  • Kann Angst vor Schmerzen in der virtuellen Realität erlernt (und gelöscht) werden?
  • Zeigen Personen mit einer höheren Neigung zu schmerzbezogener Angst (trait FoP) stärkere physiologische Reaktionen auf akuten Stress?
  • Führt akuter Stress zu einer erhöhten Lernrate schmerzbezogener Angst (state FoP)?
  • Was sind die zugrunde liegenden neurophysiologischen Mechanismen des Erwerbs von situativer Angst vor Schmerzen, und stehen intrinsische neuronale Oszillationsmuster in Zusammenhang mit stabilen individuellen Unterschieden in der Angst vor Schmerzen (trait FoP)?
  • Können wir positive motorische Imagination nutzen, um Angst vor Schmerzen (auch bei chronischen Schmerzpatienten) zu reduzieren?

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* geteilte Erstauthorenschaft