Deutsch Intern
Department of Psychology I – Clinical Psychology and Psychotherapy

Körperprozesse

Embodiment, Interozeption und Körperwahrnehmung

Lager in Brückenbauten sind Kontaktpunkte, die verschiedene Teile einer Brücke miteinander verbinden. Sie sind meist nicht sichtbar und doch spielen sie eine zentrale Rolle bei der Flexibilität und Stabilität der Brücke. Körperliche Prozesse kann man wie die Lager in der Mentalen Gesundheit verstehen. Sie beeinflussen bewusst und unbewusst neuronale, kognitive, emotionale und behaviorale Abläufe und manchmal sind sie Auslöser von psychischem Leid.

Die Arbeitsgruppe Körperprozesse beschäftigt sich zum einen mit den Themen Embodiment, Interozeption und Körperwahrnehmung bei subklinischen und manifesten psychischen Störungen. Im Fokus der Arbeitsgruppe stehen Persönlichkeitsstörungen und Traumafolgestörungen.  Untersuchungen zeigen, dass Betroffene mit Borderline-Persönlichkeitsstörung eine reduzierte Körperaufmerksamkeit aufweisen und die Körperdissoziation den Zusammenhang von frühkindlichen Traumatisierungen und beeinträchtigter Persönlichkeitsfunktionen mediiert (Bertsch et al. 2024; Schmitz et al. 2023).  Wir arbeiten zur Erforschung der Prozesse mit unterschiedlichen Methoden: neurophysiologische Marker (bspw. Herzschlagperzeptionsaufgabe, EEG), Virtual Reality (VR) und Verhaltensexperimenten. Dabei arbeitet die Arbeitsgruppe eng mit dem Department of Human-Computer Interaction der Universität Würzburg und dem Lehrstuhl für Klinische Psychologie der LMU München zusammen.

Angst vor Schmerzen – im Kontext von Stress und individuellen Unterschieden

Chronische Schmerzen stellen eine schwere und weit verbreitete Belastung mit enormen Auswirkungen auf das tägliche Leben der Betroffenen dar. Gemäß dem Fear-Avoidance-Modell chronischer Schmerzen (Vlaeyen & Linton, 2012) spielen Mechanismen der Angstkonditionierung und des Vermeidungsverhaltens eine entscheidende Rolle bei der Entstehung und Aufrechterhaltung chronischer Schmerzzustände. Das Modell beschreibt einen sich selbst verstärkenden Teufelskreis aus Angst, Vermeidung, Beeinträchtigung und Schmerz. Allerdings gerät nur ein kleiner Teil der Menschen nach einer akuten Schmerzepisode (z.B. nach einer Verletzung oder medizinischen Intervention) in einen solchen Teufelskreis, und die Faktoren, die darüber entscheiden, ob eine Person diesen Kreis betritt oder nicht (und chronische Schmerzen entwickelt), sind noch ungeklärt.

Unser Team konzentriert sich explizit auf diese Frage und untersucht den Einfluss von Stress und stabilen individuellen Unterschieden (z.B. Persönlichkeitsfaktoren) auf die Entstehung von Angst vor Schmerzen. Dazu übertragen wir Methoden aus der traditionellen Angstkonditionierungsforschung in die virtuelle Realität. Ein neues experimentelles Paradigma wird entwickelt, das es ermöglicht, Angst vor Schmerzen experimentell zu induzieren (und zu löschen) sowie die Effekte von Kontext und motorischer Imagination zu untersuchen. Darüber hinaus nutzen wir verschiedene biophysiologische Messungen (z.B. elektrodermale Aktivität, EDA, Cortisolkonzentration, Herzfrequenz) und elektroenzephalographische (EEG) Aufzeichnungen, um die biologischen Grundlagen von situativer Angst vor Schmerzen, trait-bezogener Angst vor Schmerzen zu klären und die Mechanismen potenzieller Modulatoren (z.B. Stress, Persönlichkeit) zu verstehen.

Derzeit konzentriert sich unsere Forschung auf fünf komplementäre Fragestellungen:

  • Kann Angst vor Schmerzen in der virtuellen Realität erlernt (und gelöscht) werden?
  • Zeigen Personen mit einer höheren Neigung zu schmerzbezogener Angst (trait FoP) stärkere physiologische Reaktionen auf akuten Stress?
  • Führt akuter Stress zu einer erhöhten Lernrate schmerzbezogener Angst (state FoP)?
  • Was sind die zugrunde liegenden neurophysiologischen Mechanismen des Erwerbs von situativer Angst vor Schmerzen, und stehen intrinsische neuronale Oszillationsmuster in Zusammenhang mit stabilen individuellen Unterschieden in der Angst vor Schmerzen (trait FoP)?
  • Können wir positive motorische Imagination nutzen, um Angst vor Schmerzen (auch bei chronischen Schmerzpatienten) zu reduzieren?

Embodiment, Interozeption und Körperwahrnehmung

Bertsch, K., Göhre, I., Cottin, M., Zettl, M., Wienrich, C., & Back, S. N. (2024). Traumatic childhood experiences and personality functioning: effect of body connection in a cross-sectional German and Chilean sample. Borderline personality disorder and emotion dysregulation11(1), 20. https://doi.org/10.1186/s40479-024-00266-z

Schmitz, M., Back, S. N., Seitz, K. I., Harbrecht, N. K., Streckert, L., Schulz, A., Herpertz, S. C., & Bertsch, K. (2023). The impact of traumatic childhood experiences on interoception: disregarding one's own body. Borderline personality disorder and emotion dysregulation10(1), 5. https://doi.org/10.1186/s40479-023-00212-5

Schmitz, M., Müller, L. E., Seitz, K. I., Schulz, A., Steinmann, S., Herpertz, S. C., & Bertsch, K. (2021). Heartbeat evoked potentials in patients with post-traumatic stress disorder: an unaltered neurobiological regulation system?. European journal of psychotraumatology12(1), 1987686. https://doi.org/10.1080/20008198.2021.1987686

Schulz, A., Back, S. N., Schaan, V. K., Bertsch, K., & Vögele, C. (2021). On the construct validity of interoceptive accuracy based on heartbeat counting: Cardiovascular determinants of absolute and tilt-induced change scores. Biological psychology164, 108168. https://doi.org/10.1016/j.biopsycho.2021.108168

Schmitz, M., Bertsch, K., Löffler, A., Steinmann, S., Herpertz, S. C., & Bekrater-Bodmann, R. (2021). Body connection mediates the relationship between traumatic childhood experiences and impaired emotion regulation in borderline personality disorder. Borderline personality disorder and emotion dysregulation8(1), 17. https://doi.org/10.1186/s40479-021-00157-7

Wittkamp, M. F., Bertsch, K., Vögele, C., & Schulz, A. (2018). A latent state-trait analysis of interoceptive accuracy. Psychophysiology55(6), e13055. https://doi.org/10.1111/psyp.13055

Angst vor Schmerzen – im Kontext von Stress und individuellen Unterschieden

Hilger, K., Talic, I., & Renner, K-H. (under Review). Individual Differences in the Correspondence Between Psychological and Physiological Stress Indicators.
bioRxiv, 2024.08.23.609328. https://doi.org/10.1101/2024.08.23.609328

Hilger, K., Häge, A., Zedler, C., Jost, M., & Pauli, P. (2023). Virtual Reality to understand Pain-Associated Approach Behaviour: A Proof-of-Concept-Study. Scientific Reports, 13, 13799. https://rdcu.be/dkd8f

Glück, V. M.*, Engelke, P.*, Hilger, K.*, Wong, A. H. K., Boschet, J. M. & Pittig, A. (2023). A network perspective on real-life threat, anxiety and avoidance. Journal of Clinical Psychology, 1-16. https://doi.org/10.1002/jclp.23575

Verona, E., Chen, H., Hall, B.,….Hilger, K.,…Clayson, P. E. (2023, in-principle acceptance, Registered Report Stage 1, Cerebral Cortex). Fear, Anxiety, and the Error-Related Negativity: A Registered Report of a Multi-Site Replication Study.

Linhardt, M., Kiser, D., Pauli, P, & Hilger, K. (2022). Approach and Avoidance Beyond Verbal Measures: A Quantitative Meta-Analysis of Human Conditioned Place Preference Studies. Behavioural Brain Research, 113834. https://doi.org/10.1016/j.bbr.2022.113834

Hilger, K., & Hewig, J. (2022). Individual Differences in the Focus: Understanding Variations in Pain-Related Fear and Avoidance Behavior from the Perspective of Personality Science, PAIN, 163(2), e151-152. http://doi.org/10.1097/j.pain.0000000000002359