Drittmittelprojekte
More than meets the eye: Integration, Einfluss und Beeinträchtigung der Verarbeitung von direktem Blickkontakt
Förderung | Deutsche Forschungsgemeinschaft (Projekt 4962/1-1) |
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Antragsteller | Jun.-Prof. Dr. Anne Böckler-Raettig |
Projektmitarbeiterinnen | Dr. Roxana Kotter, Christina Breil |
Kooperationspartner | Prof. Lynn Huestegge, Prof. Marcel Romanos, Prof. Matthias Gamer, Prof. Philipp Kanske, Prof. Timothy Welsh |
Laufzeit | seit 08/2018 |
Blickkontakt ist allgegenwärtig in sozialen Situationen. Sei es zur Begrüßung bei der ersten Begegnung oder beim Heranreichen eines Glases Wein, beim versehentlichen Zusammenstoß im hemmungslos überladenen Bus oder beim intimen Gespräch mit unserem Freund – Augenkontakt hilft uns herauszufinden, was der andere im Sinn hat und unser Verhalten optimal zu koordinieren. Es ist daher nicht verwunderlich, dass Menschen besonders ausgeprägt auf die Augen anderer reagieren. Wir richten unseren Blick flexibel nach dem unserer Mitmenschen aus und werden sofort aufmerksam auf Personen, die uns direkt anschauen.
In unserer Forschungsgruppe untersuchen wir, wie Blickkontakt die menschliche Aufmerksamkeit und Wahrnehmung beeinflusst und wie das kognitive System diesen starken sozialen Reiz mit anderen relevanten Informationen, z.B. sozialem Status oder Gesichtsausdrücken, integriert. Wir nutzen Eye-Tracking, um die zeitliche Dynamik von Blickverarbeitung zu untersuchen.
Darüber hinaus untersuchen wir den Einfluss von Blickkontakt in komplexeren Formen sozialer Interaktion, z.B. verbaler Kommunikation und Kooperation. Frühere Forschungsarbeiten zeigen zwei grundlegende Bausteine sozialen Verstehens auf: die affektive Komponente Empathie, das „Sich-einfühlen“, und die kognitive Komponente, das Mentalisieren oder „Sich-hineindenken“. Neben Eye-Tracking nutzen wir auch bildgebende Verfahren, um die Rolle von Blickkontakt während dieser Prozesse zu untersuchen.
In einem weiteren Forschungsprojekt interessieren wir uns dafür, wie sozial beeinträchtigte Personen sich in ihrer Reaktion auf direkten Blickkontakt unterscheiden. Von besonderem Interesse sind hier Patienten, die mit sozialer Ängstlichkeit oder mit Störung des Sozialverhaltens diagnostiziert sind. Wir untersuchen das Blickverhalten und die zuvor beschriebenen Hauptkomponenten sozialen Verstehens, Empathie und Mentalisieren, um sowohl die Breite als auch die Zusammenhänge sozialer Beeinträchtigung in diesen Störungsbildern zu untersuchen.
Hier finden Sie Details zur Emmy Noether-Gruppe "More than meets the eye" unter der Leitung von Jun.-Prof. Dr. Anne Böckler-Raettig.
Feedback-basierte Blicksteuerung in sozialen und nicht-sozialen Informationsverarbeitungskontexten
Förderung | Deutsche Forschungsgemeinschaft (Projekt HU 1847/7-1) |
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Antragsteller | Prof. Dr. Lynn Huestegge |
Projektmitarbeiterin | Eva Riechelmann |
Laufzeit | seit 10/2016 |
Effiziente Blicksteuerung involviert notwendigerweise die Antizipation von mit Blickbewegungen assoziierten Effekten (Feedback-Signalen). Die zugrundeliegenden Feedback-Schleifen sind wesentlich, um Blicksteuerung auf verschiedenen Ebenen zu verstehen. Letztere unterscheiden sich hinsichtlich der mit ihnen verbundenen Ziele, die wiederum unser Blickverhalten durch die Antizipation von Feedback-Signalen steuern: So gibt es Ziele auf einer kognitiven, perzeptuell-informationalen Ebene, auf einer affektiven Ebene und auf einer sozialen Ebene, so dass mit einer Blickbewegung Konsequenzen auf verschiedenen Ebenen verbunden sein können. Wenngleich Theorien zur Blicksteuerung perzeptuell-basierte Feedback-Schleifen stets berücksichtigten, gilt dies bislang nicht für Feedback aus der Umwelt. Neben modernen Smartphones, bei denen blickbasierte Menünavigation möglich ist, ist der vielleicht wichtigste Bereich, in dem Blickbewegungen Effekte in der Umwelt zeigen, die soziale Interaktion, innerhalb derer Blicke zur Kontrolle der sozialen Umwelt genutzt werden können. Auf diese Weise ist die Verarbeitung sozialer Information besonders zum Studium von Feedback-Prozessen in der Blicksteuerung geeignet. In einer Vorstudie zeigten wir, dass antizipierte Feedback-Signale in der Umwelt signifikant die Blicksteuerung beeinflussten. Im Rahmen des Projekts sollen die zugrundeliegenden Mechanismen dieses Phänomens geklärt werden. Während die Vorstudie nur nicht-soziale Feedback-Stimuli beinhaltete, sollen hier zusätzlich auch soziale Stimuli (Gesichter) verwendet werden. In vier Projektbereichen sollen a) der Einfluss exogen/endogen gesteuerter Ziele, b) Randbedingungen der Akquise von Blick-Feedback-Kontingenzen, c) zugrundeliegende neuronale Signaturen, d) Interaktionen zwischen der affektiven und sozialen Kontrollebene und e) Interaktionen zwischen Stimulusdimensionen in der Feedback-Schleife studiert werden. Ein wichtiges Projektmerkmal ist dabei der Fokus auf okulomotorische Steuerung, die lange Zeit nur als Fenster zu input-orientierten Aufmerksamkeitsprozessen betrachtet wurde, nicht aber als eigenständige Handlungsmodalität.
Priorisierung bei der Koordination multipler Handlungsmodalitäten
Förderung | Deutsche Forschungsgemeinschaft (Projekt HU 1847/4-1) |
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Antragsteller | Prof. Dr. Lynn Huestegge |
Projektmitarbeiterin | Mareike Hoffmann |
Laufzeit | seit 04/2016 |
Primäres Ziel dieses Projektes ist ein besseres Verständnis von Mechanismen der Priorisierung bei der Koordination mehrerer Handlungseffektoren, also der gleichzeitigen Ausführung von Handlungen in verschiedenen Reaktionsmodalitäten. Während in vielen grundlagenorientierten kognitionspsychologischen Studien das gemessene Verhalten oft auf eine interessierende Handlungsmodalität eingeschränkt wird (z.B. auf Latenz/Fehler manueller Tastendruckreaktionen), müssen wir in unserem alltäglichen Verhalten ständig Bewegungen über verschiedene Effektorsysteme (z.B. Hand, Fuß, Auge, vokaler Trakt) hinweg koordinieren. So werden z.B. beim Verfassen dieses Antrags gleichzeitig manuelle Bewegungen und Blickbewegungen ausgeführt. Bislang existiert nur wenig Forschung zu der Fragestellung, wie wir bei der gleichzeitigen Ausführung von Handlungen in verschiedenen Effektorsystemen Prioritäten setzen. Während sich auf der Wahrnehmungsseite bereits systematische Forschung zur Priorisierung von Input-Modalitäten etabliert hat (vgl. Forschung zu crossmodal attention), gibt es keine vergleichbare Tradition auf der Output-Seite (im Rahmen eines crossmodal action-Ansatzes). Diese überraschende und substantielle Forschungslücke, die eine wichtige Grundlage der Psychologie (Handlungssteuerung) betrifft, soll mithilfe des vorliegenden Projekts adressiert werden. Untersucht werden dabei auch Reaktionsmodalitäten, die bislang in der Forschung zu Mehrfachtätigkeiten eher vernachlässigt wurden (z.B. Okulomotorik, Fußmotorik). Die Ergebnisse sollen genutzt werden, um theoretische Rahmenkonzeptionen zur crossmodalen Handlungssteuerung genauer zu spezifizieren.
Crossmodale Handlungsselektion
Förderung | Deutsche Forschungsgemeinschaft (Projekt HU 1847/3-1) |
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Antragsteller | Prof. Dr. Lynn Huestegge |
Projektmitarbeiterin | Aleksandra Pieczykolan |
Laufzeit | 2011 - 2014 |
Traditionelle kognitionspsychologische Modelle der Mehrfachtätigkeit vertreten die Annahme eines seriellen zentralen Mechanismusses der Koordination mehrerer Aufgaben. Dieser zentrale Mechanismus wird vorgestellt als amodaler Engpass bzw. als limitierte Verarbeitungsressource, so dass zu gegebener Zeit nur für eine Aufgabe die passende Reaktion ausgewählt werden kann, während die Reaktionsauswahl in einer anderen Aufgabe warten muss. Diese Wartezeit führt gemäß diesen Modellen typischerweise zu Doppelaufgabenkosten.
Die Entwicklung solcher serieller Engpassmodelle ist eng verbunden mit einer spezifischen Versuchsanordnung, dem Paradigma der psychologischen Refraktärperiode (PRP), bei der Stimuli mit variablem zeitlichen Versatz präsentiert werden. Neuere Studien und theoretische Vorstellungen legen hingegen nahe, dass die angenommene Serialität zentraler Prozesse ein Artefakt dieser spezifischen Methode sein könnte, und postulieren stattdessen die Möglichkeit paralleler Verarbeitung auch auf Ebene der Reaktionsauswahl.
Im hier beantragten Projekt soll es darum gehen, weitere empirische Evidenz zu gewinnen, um Mechanismen crossmodaler Handlungsselektion (also der gleichzeitigen Ausführung von Handlungen in verschiedenen Reaktionsmodalitäten) genauer zu verstehen. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Untersuchung von Reaktionsmodalitäten, die bislang in der Forschung weitgehend vernachlässigt wurden. Die gewonnenen Daten sollen genutzt werden, um eine eigene heuristische Rahmenkonzeption zur crossmodalen Handlungssteuerung genauer zu spezifizieren.
Determinanten von Performanzvorteilen im Kontext multipler Handlungskontrolle
Förderung | Deutsche Forschungsgemeinschaft (Projekt HU 1847/9-1) |
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Antragsteller | Prof. Dr. Lynn Huestegge |
Projektmitarbeiter | Jens Kürten |
Laufzeit | ab 2020/2021 |
Aufgaben, die zwei Handlungen erfordern, werden typischerweise schlechter ausgeführt (im Sinne erhöhter Reaktionszeiten/Fehlerraten) als solche, die nur eine einzelne Handlung verlangen (Doppelreaktionskosten). Dennoch sind solche multiplen Handlungsanforderungen aus unserem Alltag nicht wegzudenken und bestimmen praktisch alle Arbeits- und Freizeitsituationen. Daher sollte der bisherige Forschungsfokus der Kognitionspsychologie, der sich primär mit funktionalen und/oder strukturellen Limitationen und negativen Konsequenzen multipler Handlungskontrolle beschäftigt, unbedingt ergänzt werden durch einen positiveren Ansatz. Insbesondere ist es wichtig zu erfahren, wie man mit solchen Situationen möglichst optimal umgehen kann, z.B. indem Determinanten potentieller Vorteile multipler Handlungskontrolle aufgedeckt werden. Überraschenderweise sind nahezu alle bisherigen Modellvorstellungen zur multiplen Handlungskontrolle entwickelt worden, um Performanznachteile zu erklären. Ziel dieses Projektantrags ist es, genauer zu beleuchten, welche zugrundeliegenden Mechanismen dazu beitragen können, Performanzkosten in -vorteile zu transformieren.Ein zweites zentrales Charakteristikum dieses Antrags ist der verstärkte Fokus auf Blickbewegungskontrolle im Kontext multipler Handlungssteuerung. Obwohl effiziente Blicksteuerung eine conditio sine qua non der meisten alltäglichen Multitaskingsituationen darstellt, gibt es über entsprechende Prozesse erstaunlich wenig Forschung. Daten aus unserem Labor haben gezeigt, dass die Untersuchung von Blickbewegungen in besonderer Weise geeignet ist, sich dem Thema der Performanzvorteile bei der multiplen Handlungssteuerung anzunähern (Huestegge & Koch, 2014, Acta Psychologica), da Blickbewegungen sehr gut hinsichtlich ihres Grades an Automatizität (im Kontext anderer gleichzeitiger Handlungsanforderungen) manipuliert werden können. Ein wichtiger Faktor zur Erzeugung von Doppelreaktionsvorteilen (vs. -kosten) scheint dabei u.a. das Ausmaß an inhibitorischer Kontrolle zur Unterdrückung spezifischer Handlungen zu sein. Diese Determinanten sind dabei auch auf andere Handlungen generalisierbar, also gelten nicht nur spezifisch für Blickbewegungen. Ziel des vorliegenden Projekts ist es, Determinanten von Performanzvorteilen zu spezifizieren, um letztlich theoretische Vorstellungen zu kognitiven Mechanismen der multiplen Handlungskontrolle weiterzuentwickeln.